„Er hat es nicht geschafft…“ – dies ist der Satz, der dem Vater im Ohr geblieben ist, seit der Arzt mit dem Baby kurz nach der Geburt rasch an ihm vorbei ging. Dieser Satz versetzt ihn immer wieder in Schrecken, obwohl sein Kind überlebt hat. Denn der Satz ging weiter: „…von allein anzufangen zu atmen.“
Der Arzt hat das so nicht gemeint, nicht gewollt, es geschah in der Hektik, eine kurze Information an den Vater, damit der weiß, was los ist, denn es ging tatsachlich um das Leben des Kindes, nur war es nicht zu spät, der Medizin sei Dank. Das Baby war einige Zeit noch auf der Neonatologie mit allem, was dazu gehört.
Meine Arbeit
Einige Wochen später werde ich im Rahmen meiner Arbeit von der Familie gebeten sie zu unterstützen. Das Baby weint viel, kann sich nicht in die Entspannung regulieren, hat entsprechend Schlaf- und Fütterschwierigkeiten. Der Vater arbeitet wieder, die Mutter ist körperlich und emotional am Ende ihrer Kräfte, nichts geht mehr.
Mutter und Kind haben ein Geburtstrauma. Und der Vater? Wohl auch, so wie er den Satz erzählt, er möchte selbst damit fertig werden.
Durch Gespräche, zuhören und gut zureden baue ich wieder Mut auf und stabilisiere das Selbstbild der Mutter, das alles gemeinsam geschafft zu haben, das Beste gegeben zu haben, wenn es auch schwer war.
Alle haben es so gut gemacht, wie es möglich war, und das genügt, besser geht es nicht! Trotzdem war die Wunschvorstellung eine andere. Wenn Tränen fließen wird es besonders emotional. Ich halte die Emotionen in diesen Momenten mit und schaue gleichzeitig, dass das erzählte Erlebte nicht weiter traumatisiert, sondern seinen Platz findet.
Alles ist Körper
Alles ist sehr körperlich: Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Die körperliche Anspannung ist konstant hoch bei gleichzeitiger Verletzlichkeit oder eben Verletztheit. In der Körperorientierten Krisenbegleitung gebe ich deswegen neben Körperarbeit auch körperlichen Halt.
Auch die Mutter des Babys bekam meinen Halt, der wohlwollende Kontakt tat ihr gut, sie konnte etwas loslassen und mehr entspannen, aus ihrem Schreck immer mehr heraus kommen.
Ende gut alles gut?
Wir trafen uns noch einige Male bis die Mutter mir sagte, es sei nun gut, sie und das Baby kommen zur Ruhe.
Durch unsere Treffen konnten die sehr belastenden Erfahrungen integriert werden und bestimmten den Alltag dieser Familie nicht weiter. Es gehört zu ihrer Geschichte, aber das ist vergangen und neue, positive Erfahrungen kommen dazu.
Die Familie hat mir die Erlaubnis gegeben, anonymisiert über unsere gemeinsame Arbeit zu schreiben.